Wettbewerb Gemeinschaftsschule Wiesloch

Bauherr:

Stadtverwaltung Wiesloch

Auslober / Verfahren:

Offener Realisierungswettbewerb, zweiphasig nach RBW, 5. Preis

Wettbewerbsaufgabe:

Auf dem Wettbewerbsgelände sollen nach dem Abbruch eines Bestandsgebäudes Flächen für eine neue Gemeinschaftsschule mit ca. 5 400 m² BGF bestehend aus zwei Clustern mit je 7 Unterrichtsräumen sowie Ersatzräume für die abgängigen Fachklassen der benachbarten Realschule errichtet werden.
Wesentliche Zielsetzung ist ein in Planung, Bau und Betrieb wirtschaftlich optimiertes Gebäude, das in der architektonischen und funktionalen Umsetzung des Raumprogramms den Anforderungen des Auslobers gerecht wird. Dabei wird großer Wert auf eine verkürzte Bauzeit gelegt, um die Einschränkungen für den Schulbetrieb auf dem Schulgelände möglichst kurz zu halten.
Gegenstand des Wettbewerbs ist in der ersten Phase die Entwicklung eines Gebäudekonzeptes mit städtebaulicher Konzeption des Schulareals und in der 2. Phase die Gebäudeplanung mit Außenanlagenplanung für den Neubau der Gemeinschaftsschule mit Fachräumen der benachbarten Realschule.
In der ersten Phase (Konzeptansätze – Bearbeitungsmaßstab 1 : 500) offen und in der zweiten Phase beschränkt offen mit ca. 15 Teilnehmern für vertiefende Bearbeitungsmaßstab 1 : 200 und Fassadendetail 1 : 50.
Teilnehmer, die in der 1. Phase anhand der Konzeptansätze in die engere Wahl kommen, sind für die 2. Phase zugelassen.
Das Verfahren ist in beiden Phasen anonym (RPW 1.4).

Konzept:


Städtebau & Außenraum
Die momentan unübersichtliche Situation auf dem Campus wird neu geordnet. Die Fluchten der unterschiedlichen Bestandsschulen werden aufgenommen und durch die neue Gemeinschaftsschule (GMS) gefasst. Es werden für jede Schule großzügige, wohlproportionierte Pausenhöfe ausgebildet und kleinteilige Restflächen vermieden.

Ein zentrales „Aktivband“ mit Sitzmöglichkeiten, Spielgeräten usw. verbindet die Schulhöfe auf dem Campus miteinander. Massive Sitzbänke bilden Rückzugsbereiche, Sonnen-/ Regendächer lockern das „Aktivband“ auf, welches einen Ort zum Spielen, „Chillen“, Begegnen und Bewegen darstellt. Der Baumbestand wird behutsam ausgedünnt, einzelne Bäume werden freigestellt und bieten Schatten, unübersichtliche Wildwuchsflächen werden vermieden, um Sichtbeziehungen zwischen allen Höfen zu erhalten.

Alte Baukörper (Realschule, Mensa) und neue (GMS, Fachbereich) bilden ein eng zusammenhängendes Ensemble. Es entsteht ein klar gefasstes Inneres mit dem Pausenhof zwischen den Gebäuden und ein Äußeres mit den Grünflächen um die Schule herum. Im Inneren, dem Pausenhof, gibt es Raum zum Veranstalten, Versammeln und ein Blätterdach mit Sitzgruppen für die Mensa. Der äußere Bereich ist geprägt von großzügigen Grünflächen mit Baumreihen und Schülergärten, wo gepflanzt, geerntet, gelernt und gewerkelt werden kann.

An der Gerbersruhstraße entsteht durch die zwei neuen Baukörper eine klare Zugangssituation für den Schulcampus. Die Gemeinschaftsschule präsentiert sich, anstatt sich hinter den Bäumen zu verstecken. Die Querverbindung zu den Bushaltestellen und dem Gymnasium bleiben erhalten. Realschule und GMS haben jeweils eigene Fahrradstellplätze in der Nähe der Eingänge und der Mensa. Der Campus wird übersichtlicher und trotz zusätzlicher bebauter Fläche großzügiger.


Organisation
Realschule, Mensa, Gemeinschaftsschule und Fachbereich gruppieren sich um den Pausenhof, an welchen die Eingänge der Schulgebäude anschließen. Die Glasfassade des Foyers liegt in der Gebäudehülle zurückversetzt und bildet eine klare, überdachte Eingangssituation.
Der Fachbereich, welcher mit der Realschule zusammen genutzt wird, ist in einem eigenen Baukörper untergebracht. Dadurch haben sowohl Realschule als auch GMS jeweils ein eigenes Gebäude ohne „fremden“ Schülerverkehr und die Realisierung kann zeitlich optimiert in zwei Bauabschnitten erfolgen.

Verwaltung, Bibliothek und Foyer der GMS befinden sich im EG, jeder Cluster ist in einem der Obergeschosse untergebracht. Dies ermöglicht den Schülern eine gute Orientierung und stärkt das Zugehörigkeitsgefühl zu „ihrem“ Cluster.
Das Foyer mit Café und Aula bildet das Herz der Gemeinschaftsschule. Die Sitzstufentreppe der Aula zoniert dabei das Foyer in unterschiedliche Bereiche zum Essen, Veranstalten, sich Treffen und Warten. Die Bibliothek wird von den Schülern eigenständig genutzt und ist zum Foyer hin großzügig geöffnet. Das Sekretariat ist an zentraler Stelle mit Sichtbezug zu Aula und Foyer angeordnet und bildet den Empfangsbereich für den Besprechungsraum und die Schulleitung. Die Rektoren haben direkte Sicht auf den Schulhof und das Aktivband.
Die Barrierefreiheit ist in allen Bereichen gegeben, die Aufzüge werden nicht „versteckt“, sondern an zentraler Stelle in der Mitte des Clusters angeordnet.

Der jahrgangsübergreifende Cluster ist das vertraute Umfeld der Schüler, hier wird kommuniziert, gespielt und von anderen Altersstufen gelernt. Jeder Cluster gruppiert sich mit seinen Klassen- und Differenzierungsräumen um die „Mitte“, zu welcher sich die angrenzenden Räume stellenweise transparent öffnen. Je zwei Klassenräume gruppieren sich um einen Differenzierungsraum, welcher wiederum der Clustermitte flexibel zugeschaltet und vielfältig genutzt werden kann: zum Besprechen, Vorbereiten, individuellen Lernen, oder zur Gruppenarbeit. Hinzu kommt der „Raum der Stille“ als Ort zum Besinnen und Ausruhen, welcher an die Mitte angrenzt. Lautere Bereiche wie der Treppenbereich, das Foyer und die Flure sind durch Glaswände von der Mitte abgetrennt. Schallabsorbierende abgehängte Decken und eine Pufferzone mit Nischen, Bänken, Garderoben und Schränken zwischen Klassenräumen und „Mitte“ unterstützen die akustische Trennung zusätzlich.

Im Fachbereichsgebäude befinden sich die Räume der GMS im EG und die der Realschule im OG. Dadurch wird einerseits die störungsfreie Wegeführung zwischen den unterschiedlichen Schulformen gewährleistet, andererseits können die Fachräume der Realschule bei geänderter Zügigkeit problemlos in die Gemeinschaftsschule integriert werden. Jeweils zwei Mehrzweckräume gruppieren sich um einen eigenen Garten, welcher ruhig an der Rückseite der Schule liegt und in welchem gegessen, gemalt und gegärtnert werden kann.


Wirtschaftlichkeit & Nachhaltigkeit
Die Organisation ermöglicht die Realisierung in zwei Bauabschnitten: 1. Fachbereich, 2. Gemeinschaftsschule. Dabei wird die Übergangs-Containerschule nur während des ersten, kleineren Bauabschnitts benötigt.
Durch den Verzicht auf eine Unterkellerung, die moderate Geschossigkeit, die Wiederholung von Bauteilen sowie einen hohen Vorfertigungsgrad werden Bauzeit und -kosten so gering wie möglich gehalten.

Um Investitions- und Folgekosten zu sparen, wird auf eine aufwendige Haustechnikanlage verzichtetet: Oberlichter und Lufträume ermöglichen eine natürliche Belichtung bis tief ins Gebäudeinnere. Zusätzlich sorgen sie im Sommer zusammen mit sich nachts automatisch öffnenden Fensterbändern für die Gebäudekühlung und ersetzen teure Klima- und Lüftungsgeräte. Die Schule wird an das vorhandene Fernwärmenetz angeschlossen und im Winter über Fußbodenheizung und Konvektoren unter den Sitzbänken am Fenster beheizt. Der außenliegende, in die Fassade integrierte textile Sonnenschutz, die Dachbegrünung sowie die Option auf eine Photovoltaikanlage runden das energetische Konzept ab.


Materialität
Auch die Materialität trägt zur Wirtschaftlichkeit bei: die Verwendung einer langlebigen, wartungsfreien und vandalismussicheren Klinkerfassade reduziert die Folgekosten erheblich. Das schlanke Ziegelformat und die vorspringenden, horizontalen Betonfertigteilbänder erzeugen eine hochwertige, plastische Fassade und tragen zur Adressbildung der Gemeinschaftsschule bei. Der Einsatz von geölten, heimischen Hölzern bei der Pfosten-Riegel-Fassade sowie beim Mobiliar sorgen für eine wertige und zugleich „heimelige“ Atmosphäre für die Schüler, welche einen Großteil Ihres Tages in der Gemeinschaftsschule verbringen.


Fazit
Die klare Strukturierung des Schulgeländes bietet der Gemeinschaftsschule die Chance, in individuellen Räumen das neue Schulkonzept erfolgreich zu verwirklichen und gleichzeitig den Campus zu einer Einheit zu formen. Die Schule bietet durch sensible und kindgerechte Gestaltung der einzelnen Bereiche ein hohes Identifikationspotential und ist dabei für den einzelnen Schüler nicht nur Lern- sondern auch Lebensort.

 

Beurteilung durch das Preisgericht
Der Verfasser schlägt zwei Gebäude vor, die sich an dem nord-süd verlaufenden sogenannten „Aktivband“ angegliedert, welches die verschiedenen vorhandenen Schulhöfe miteinander verbindet und Richtung Süden fortführt. Die vorgeschlagenen Bauten werden sensibel in das Gebäudegefüge platziert und nehmen die vorhandenen Gebäudekanten der umliegenden Schulgebäude konsequent auf.

Es wird ein großzügiger Schulhof mit Öffnung zur Gerbersruhstraße gebildet. Der Durchgang zum Schulhof von Westen her erscheint jedoch zu eng. Beide Gebäude werden jeweils mittig vom Schulhof aus erschlossen und lassen eine gute Orientierung zu.

Die dreigeschossige Gemeinschaftsschule an der Gerbersruhstraße betritt man über ein großes zentrales Foyer. Im Erdgeschoss gibt es leichte funktionale Mängel aufgrund von ‚gefangenen’ Räumen. Die Cluster in den Obergeschoßen sind klar strukturiert, jedoch führt die mittige Treppenanordnung zur Zerteilung bzw. zu gegenseitiger Störung. Die Lernlandschaften befinden sich im Verkehrsbereich und haben keinen Außenbezug.

Der zweigeschossige Fachtrakt wird auch zentral über ein lichtdurchflutetes Foyer erschlossen. Das Gebäude hat eine klare Struktur. Eine Qualität der Arbeit ist die Gestaltung der Fachklassen zum Gymnasium hin, die sich jeweils zu einem Innenhof hin orientieren. Der lange Erschließungsflur ist jedoch zu schmal für die zu erwartenden Schülerzahlen. An den Flurenden, im Bereich der Fluchttreppenhäuser, funktioniert die Zugänglichkeit der Klassenräume nur eingeschränkt. Die Dopplung der Maschinenräume im 1.OG ist unerwünscht.

Der Entwurf bietet einen gelungenen städtebaulichen Beitrag, weist jedoch funktionale Mängel im Inneren auf.

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